HUA- und LUA-Dalmatiner ODER „Das Backcross-Projekt“
Anbei ist heute für euch eine sehr interessanter Beitrag von einer lieben Züchterkollegin und Vizepräsidentin des Österreichischen Dalmatinerclubs (ÖDaC)
Ing. Kristina Marschitz,
https://www.natures-guardian-dalmatiner.at/
Akademisch geprüfte Kynologin,Tierschutzqualifizierte Hundetrainerin
Grundsätzlich zählt der Dalmatiner zu den gesunden und robusten Hunderassen, mit Themen wie Tüpfelung (Extremscheckung), Platten, blauen Augen oder eventuell auftretender uni- oder bilateraler Taubheit hat man als Züchter trotzdem genug zu beachten, wenn man die Gesundheit der Rasse erhalten möchte.
Ein Thema, um das man ebenfalls nicht herumkommt, ist die Hyperurikosurie. Also die HUU-Mutation des Gens SLC2A9, das sich auf den Harnsäurespiegel des Hundes auswirkt.
Der "normale" Dalmatiner trägt zwei Kopien des mutierten HUU-SCL2A9-Gens. Und zwar wirklich JEDER (!!) Dalmatiner, der nicht auf das Backcross-Projekt aus den 1970er-Jahren zurückgeht (dazu weiter unten). Diese Dalmatiner werden auch als HUA-Dalmatiner bezeichnet. Das sollte jedem Dalmatinerbesitzer – und auch solchen, die es noch werden wollen – bekannt und bewusst sein.
Dalmatinerzüchter weisen ihre Welpeninteressenten auch durch die Bank auf die besonderen Fütterungsanforderungen der Tüpfeltiere hin. Bei HUA-Dalmatinern funktioniert die Verstoffwechselung der Harnsäure nicht so, wie bei anderen Hunderassen und es kann zur Bildung von Uratsteinen kommen, was aber bei Berücksichtigung einiger Punkte bei der Fütterung (purinarme Fütterung), meistens keine Probleme macht.
Es ist auch nicht von vornherein ein Spezialfutter notwendig. ACHTUNG Oft werden ganz normale Blasenentzündungen fälschlicherweise als Uratsteine diagnostiziert! Bei Verdacht sollte daher ein Ultraschall der Blase gemacht und sich nicht nur auf eine Harnprobe verlassen werden! Die Harnprobe eines HUA-Dalmatiners unterscheidet sich immer (egal ob Blasenentzündung, Steine oder weder noch) von der eines LUA-Dalmatiners oder eines Hundes einer anderen Rasse! Es ist auch tatsächlich nicht so, dass LUA-Dalmatiner gar keine Steine bekommen können. Sie bekommen nur eben keine Uratsteine.
In den 1970er-Jahren wurde ein Dalmatiner-Pointer-Rückkreuzungs-Projekt (Backcross) gestartet. Dabei wurde ein Dalmatiner mit einem Pointer verpaart, um die nicht-mutierte Form des HUU-Gens im Dalmatiner zurückzuerhalten. Dalmatiner, die auf dieses Projekt zurückgehen, bezeichnet man gemein hin als LUA-Dalmatiner. Seit 2012 gelten diese Hunde gemäß den Richtlinien der FCI als reinrassig.
Äußerlich unterscheiden sich HUA- und LUA-Dalmatiner auf den ersten Blick kaum. Abhängig von den Linien gibt es aber auch hier Unterschiede was Pigmentstärke oder Tupfengröße betrifft.Entgegen sich hartnäckig haltenden Gerüchten hat die Wiedereinführung der nicht mutierten HUU-Genvariante keine Verbesserung der Hörleistung (!!) beim Dalmatiner gebracht. Es besteht also kein Zusammenhang zwischen den LUA-Dalmatinern und einer über die Jahre besser gewordenen Hörstatistik innerhalb der Rasse.
Zurückzuführen ist diese Verbesserung viel mehr auf exzessive Recherchen von Züchtern, Transparenz bei Wurfstatistiken, gezielte Verpaarungen und konsequent durchgeführte Hörtests bei allen Dalmatinerwelpen aus seriösen Zuchtstätten. Natürlich ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass bei Verpaarungen mancher Linien einseitig oder beidseitig taube Welpen geboren werden können – die Natur lässt sich da leider nicht in die Karten schauen und ein Fünkchen Glück braucht es dabei auch noch.
Einen Gentest auf Taubheit beim Dalmatiner gibt es übrigens nach wie vor leider nicht, da das verursachende Gen bisher nicht eindeutig identifiziert werden konnte.
Alle Dalmatiner aus dem Backcross-Projekt können auf eine Handvoll Zuchtlinien zurückgeführt werden.
Darum ist ein Zuchteinsatz immer mit weitreichenden Überlegungen verbunden, um die genetische Diversität innerhalb der Rasse zu erhalten. Es ist schlicht und ergreifend nicht möglich, ausschließlich LUA-Dalmatiner zu züchten, da in diesem Fall die genetische Vielfalt verloren gehen würde und bei zu engen Verpaarungen die "genetische Fitness" der Hunde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen und die Rasse anfälliger für andere Erkrankungen werden würde.Aus diesem Grund ist es auch notwendig, bei allen LUA-Dalmatinern aus dem Backcross-Projekt, ihren genetischen Status festzustellen. Ansonsten ist ein gezielter Zuchteinsatz nicht möglich.
Faktisch ist es so, dass bisher alle Dalmatiner, die nicht aus diesem Projekt hervorgegangen sind, bei einem Gentest als Träger das mutierten HUU-SCL2A9-Gens identifiziert werden konnten. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mutation die gesamte Population betrifft. Ein Gentest für HUA-Dalmatiner ist daher in den meisten Zuchtordnungen weder vorgesehen noch notwendig.
Und nochmal zur Erinnerung: bei richtiger Fütterung haben die meisten HUA-Dalmatiner auch keine Probleme mit Uratsteinen oder in anderen Bereichen, auf die sich ein erhöhter Harnsäurespiegel auswirken könnte. Sie sind also in ihrer Lebensqualität nicht eingeschränkt!
Die Genvarianten nochmals zusammengefasst:HUA = High Uric Acid = Hyperurikosurie = hoher oder erhöhter Harnsäurespiegel im Zusammenhang mit einem mutierten HUU-SCL2A9-Gen.Beim durchgeführten Gentest erhalten ALLE Dalmatiner, die nicht auf das Backcross-Projekt zurückgehen das Ergebnis: hu/hu = "reinerbig" HUA!LUA = Low Uric Acid – also niedriger oder normal hoher Harnsäurespiegel. Träger dieser Genvariante haben einen normalen bzw. niedrigen Harnsäurespiegel.Beim LUA-Dalmatiner wird weiters noch in zwei Untergruppen unterschieden:N/N = "reinerbig" für das LUA-Gen – der Hund trägt zwei Kopien des LUA-Gens N/hu = "mischerbig" für das LUA-Gen – der Hund trägt eine Kopie des LUA-Gens und eine Kopie des mutierten HUU-SCL2A9-Gens.Weitere Details zum LUA-Dalmatiner und dem Backcross-Projekt: https://dalmatiner-wissen.de/lua-dalmatiner